Hockey Nachrichten

 

In einer eigenen kleinen aber feinen Rubrik beleuchtet Claas Henkel, in Hockey-Deutschland bekannt als Bundesligatrainer beim UHC Hamburg und zuvor Münchner SC, aber eigentlich gelernter Journalist, Themen rund um den Hockeysport in Zusammenarbeit mit der hockey.de-Redaktion. Der 35-jährige Familienvater lädt in der "SprechZeit" immer unterschiedliche Gesprächspartner ein, um in lockerer Form zu plaudern und dabei ihre Meinung, Ideen oder Geschichten zu erfahren.

 

Viel Spaß mit dieser Kolumne!

 

 

 

"Eine andere Welt, die man auch anders packen muss!"

SprechZeit 7: Mit Alster Urgestein Jo Mahn und dem Neu-Alsteraner André Henning

 

27.01.2015 - Die wahrscheinlich spektakulärste Meldung des Transfersommers 2014 war der Wechsel des Mülheimer Urgesteins André Henning von der Ruhr an die Alster als neuer sportlicher Leiter für Hockey. Beim Club an der Alster versucht der 31-jährige Toptrainer nicht nur den Jugendbereich neu auszurichten, sondern auch als Co-Trainer von Joachim Mahn die Bundesligaherren des Traditionsclubs wieder in die deutsche Spitze zu führen. Das dies kein einfaches Unterfangen ist, zeigten die ersten Monate Hennings in Hamburg. Claas Henkel traf sich zur 7. Sprechzeit mit André Henning und Jo Mahn, um kurz vor dem Saisonfinale der Halle mit ihnen über ihre Zusammenarbeit, die Unterschiede zwischen Mülheim und dem Club an der Alster und die Entwicklung der Alster-Herren zu sprechen.

Claas: Hallo, André und vor allem dir Jo ein herzliches Dankeschön für Deine Zeit und diesen Kaffee.

Jo: Überhaupt kein Thema. Wenn es passt, immer gerne.

Claas: Jo, selbst ältere Hockeysemester geraten bei folgender Frage gehörig ins Grübeln. Wie lange bist Du inzwischen beim Club an der Alster?

Jo: Ich bin 1986 als Spieler in den Club gekommen. Seit 1987 bin ich angestellter Trainer.

Claas: Damit bist du mit hoher Wahrscheinlichkeit der dienstälteste Hockeytrainer Deutschlands.

Jo: Der dienstälteste der Bundesliga auf jeden Fall. Nach dem Wiedereinstieg von Horst Ruoss in Stuttgart bin ich allerdings lange nicht der älteste auf der Bank.

Claas: Langeweile scheint trotz der Zeit nicht aufzukommen. Seit August letzten Jahres gibt es mit André sowohl einen neuen sportlichen Leiter Hockey als auch einen neuen Co-Trainer für dich beziehungsweise für die Herren. Wie läuft die Zusammenarbeit mit ihm?

Jo: Wenn man einen Blick auf die Ergebnisse im Feld wirft, muss man natürlich ehrlich sagen, dass diese

Maßnahme ein Schuss in den Ofen war. Aber Spaß bei Seite! Als wir im Club übereinkamen, nicht nur einen neuen Co-Trainer für die Herren zu suchen, sondern zusätzlich jemanden, der die Arbeit unserer Jugendteams weiterentwickelt, war schnell klar, dass André der beste Mann für diesen Job ist. Seit August kümmern wir uns hier gemeinsam um das Thema Leistungssport im oberen männlichen Bereich. Dass wir uns eine gewaltige Aufgabe gegeben haben, war uns dabei beiden klar. So mussten ja nicht nur wir uns arrangieren und unseren Weg einer Zusammenarbeit finden. Vielmehr gab es im Sommer einen gewaltigen Umbruch in der Truppe zu begleiten.

Claas: André, wie leicht oder schwer fiel dir neben dem Club- und Ortswechsel denn der Rollenwechsel aus einer Cheftrainerposition in die eines Co-Trainers und eines Trainerteam-Mitglieds?

André: In Mülheim habe ich ja mitnichten eine One-Man-Show abgezogen. Zuletzt habe ich bei den Herren und in den Jugendteams ein gut funktionierendes Team, vorneweg mit Arndt Herzbruch, an meiner Seite gehabt. Unser Erfolg in Mülheim basierte zum Großteil auf dieser Teamarbeit. Aber klar, ich bin hier in einer anderen Rolle. Bei den Herren bin ich eben nicht mehr der Entscheider. Die Verantwortlichen vom Club an der Alster und nicht zuletzt Jo brachten mir von Beginn an viel Vertrauen entgegen und gaben mir das Gefühl, hier einiges bewegen zu können. Ich finde den Prozess des Zusammenwachsens einer Mannschaft und auch unseres Jugend-Trainerteams äußerst spannend. Und auch wenn ich diese Form des Austauschs aus meinen Funktionen in DHB-Teams bereits kenne, ziehe ich bereits viele wertvolle Erfahrungen aus dieser Zeit. Meine Entscheidung, zumindest als Cheftrainer raus aus der Bundesliga-Tretmühle zu gehen, bereue ich jedenfalls nicht.

Claas: Mit Tretmühle meinst du wahrscheinlich den kalendarischen Teil der Aufgabe?

André: Genau. Eigentlich hatte ich ja durchgehend Programm. In der bundesligafreien Zeit standen die männlichen Jugendteams im Fokus und wenn diese Ferien hatten, war wieder Bundesliga oder DHB.

Claas: Und Du machst jetzt weniger?

André: Zugegeben, ich habe im Moment nicht wesentlich weniger zu tun. Auch der Plan, den ich noch bis Juni 2014 verfolgt hatte, gar kein oder weniger Hockey und dafür einen „anständigen Job“ zu machen, hat sich nicht ganz durchgesetzt. Aber ich habe mich von der Begeisterung beim Club an der Alster, der spannenden Aufgabe in Jugend und Herren und natürlich final durch die Gespräche mit Jo begeistern lassen. Mein Job hat sich aber deutlich verändert. Vom Platz mehr ins Büro an den Schreibtisch.

Claas: Als Außenstehender würde ich den Unterschied zwischen Mülheim und Alster –was Mentalität und die sonstigen Gegebenheiten des Umfelds angeht – als den größtmöglichen zwischen zwei Vereinen beschreiben. Irre ich?

André: Deine Einschätzung ist richtig.

Jo: Was meinst Du denn eigentlich? Die Größe des Parkplatzes?

Claas: Nein, das beheizte Schwimmbad.

Jo: Die haben zwei Kunstrasenplätze! Da träumen wir doch von.

Claas: Und die sind auch noch in unmittelbarer Nähe zum Clubhaus.

André: Um das Gespräch mal wieder auf die sachliche Ebene zu bringen... Mentalität ist der entscheidende Faktor. Wer in Mülheim lebt, kommt irgendwie zum Hockey. Es ist dort die absolute Sportart Nummer 1. Wer was werden will, spielt Hockey. Dementsprechend herrscht vor allem in den Jugendteams eine durchgehend leistungsbereite und Leistungssport orientierte Einstellung. Damit meine ich nicht nur die Einstellung der Spielerinnen und Spieler, sondern auch die der Familien und des weiteren Umfelds. Auf die Bundesliga übertragen ist der Unterschied zu anderen Bundesligisten nicht so erheblich. An dieser Stelle setze ich auch hier beim Club an der Alster insbesondere in der Jugend an. Wir wollen früh ein Leistungssport förderndes Umfeld formen. Das ist beim hiesigen Klientel nicht unbedingt gegeben. Wobei ich darin kein Alsteraner, sondern eher ein Hamburger Phänomen sehe. Die Hamburger Bundesligateams gehören seit Jahrzehnten zur nationalen und internationalen Spitze. Die Jugendteams im Verein und Verband laufen der Musik ebenso lange hinterher. Man ist hier schon in einer anderen Welt mit anderen Menschen und muss diese deswegen auch anders packen. Das wusste ich vorher, daher habe ich auch keinen Kulturschock erlebt. Und eigentlich macht gerade das den Reiz der Aufgabe für mich aus. Zu zeigen, dass das auch hier geht. Und es wird gehen.

Claas: Zusätzlich zu denen im Trainerteam gab es zuletzt auch große Veränderungen in der Vorstandschaft des Club an der Alster. Für einen gestandenen Bundesligaverein ist das eher selten. Als Beobachter hat man das Gefühl, dass gerade unter jeden Stein geschaut wird.

Jo: Hier gab es, nachdem sich eine Gruppe jüngerer engagierter Mitlieder gefunden hat, in der Tat eine erdrutschartige Entwicklung. Bis auf eine Person ist der neue Vorstand wirklich neu. Dieser Vorstand hat eigene Ideen und schaut dabei vielleicht nicht unbedingt unter jeden, aber sicher unter einige Steine. Für uns Trainer hat das keine negativen sondern nur positive Folgen. Das Credo der Ideen des neuen Vorstands besteht klar darin, Leistungssport im Club an der Alster weiter volle Pulle zu unterstützen. Es ist also nicht alles neu. Es geht vielmehr mit Vollgas weiter.

Claas: Ich möchte mal etwas persönlicher werden und auf Eure direkte Zusammenarbeit zu sprechen kommen. André, was schätzt du an Jo? Was hast du in sechs Monaten von ihm lernen können?

André: Da gibt es zwei unterschiedliche Felder. Das eine ist das hockeyfachliche Feld. Hier haben wir zum Teil unterschiedliche Ideen und stellen doch immer wieder fest, dass wir im Kern sehr nah beieinander sind. Dadurch ergänzen wir uns hier ziemlich gut und sind absolut auf einer Wellenlänge. Das andere Feld ist gleichzeitig Jos Erfolgsrezept: Seine Persönlichkeit, seine Art und Weise auf die Mannschaft zuzugehen und sie zu formen. Auf diesem Feld sind ihm ganz andere Dinge wichtig, als die, die ich bisher im Fokus hatte. Gerade in diesem Bereich habe ich für mich schon wahnsinnig viel aus der Zusammenarbeit gelernt. Auch wenn ich schon einige Zeit Bundesligatrainer war, bin ich ja mit 31 Jahren noch sehr jung. Für mich war klar, dass ich in der Co-Trainerrolle unter einem so erfolgreichen Trainer und spannenden Typen viel Input für mich zu erzielen kann.

Claas: Du sitzt aber nicht nur daneben und wartest auf das natürliche Ableben von Jo Mahn?

André: Nein, nein. Wir sind beide sehr aktiv. Ich habe am Ende des Tages überhaupt nicht das Gefühl deutlich weniger eingebracht zu haben als in meinen anderen Teams.

Claas: Jo, kann André denn etwas einbringen, das Dich alten Hasen weiterbringt?

Jo: Ich dachte auch, dass das nicht geht. Aber ernsthaft: Es ist in allen Teilbereichen enorm, was er hier besteuert und reinbringt. Auch wenn ich ja ausgewiesener Maßen ein absoluter Experte am Videogerät bin, ist es beispielsweise selbst für mich sagenhaft zu sehen, wie André mit diesen ganzen modernen Medien und der Technik umgeht. Wir müssen weiterhin schauen, dass hier alle von allen profitieren und wir gemeinsam die Entwicklung der Mannschaft in die richtige Bahnen lenken – was immer noch schwer genug wird.

Claas: So rosig sich die Situation aktuell in der Halle darstellt, so schwierig ist sie in der laufenden Feldsaison.

Jo: Wir haben vier Tore Vorsprung auf einen Abstiegsplatz. Ganz klar ist, wir haben mit den Playoffs inzwischen auch rechnerisch nichts mehr zu tun. Unsere Aufgabe ist, möglichst schnell dieses Abstiegsgespenst zu vertreiben. Wir müssen uns als Mannschaft weiter auf ein Niveau pumpen, mit dem wir uns Stück für Stück von der unteren Tabellenzone entfernen können. Parallel dazu müssen wir den Aufbau des Teams für die neue Saison voranbringen.

Claas: Wird das Gesicht der Mannschaft denn über den Sommer Bestand haben oder wird sich im Kader nochmals entscheidend etwas verändern?

Jo: Das Gesicht wird sich sicherlich verändern. Sebastian Biederlack wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aufhören. Bei Olli Markowsky steht eine OP an, und es sieht wohl eher so aus, als ob er im Anschluss seinen Schläger an den Nagel hängt. Unter Umständen verlässt der eine oder andere weitere Spieler die Stadt. Wir müssen schon schauen, dass wir die Klasse der Mannschaft zumindest mal auf Niveau halten. Und dafür müssen wir auch neue Spieler für uns gewinnen.

Claas: Ist die Liga-Pause für die World-League im Frühjahr für Euch vorteilhaft oder ein Problem?

Jo: Von der Steuerung her ist diese Pause eine ganz schwierige Nummer. Eigentlich musst du versuchen die Spannung zu halten, aber im Endeffekt machst du doch zweimal eine Feldvorbereitung.

André: Das größte Problem mit so einer Pause haben natürlich die Mannschaften, die viele Spieler in dieser Phase an die Nationalmannschaft abstellen müssen. Wie sehr uns das betrifft, können wir ja noch gar nicht sagen. Um noch einmal auf die Zielsetzungen zu kommen: Ich wünsche der Mannschaft erst mal möglichst viele Entscheidungsspiele in der Halle. Wir haben gemerkt, dass diese großen Spiele in der Halle für das Teambuilding unersetzlich sind. Siege, wie der gegen die qualitativ besser besetzten UHCer, helfen uns auch Richtung Feldsaison. Solche Spiele gewinnst du nur, wenn du als Gruppe funktionierst und als Gruppe investierst. Auch der Sieg im Viertelfinale in Mannheim war ein ganz wichtiger Schritt für die Entwicklung von einer Gruppe talentierter junger Spieler hin zu einem echten Team. Die Jungs verstehen, dass sie ihre Individualität nur aus der Dynamik der Gemeinschaft entwickeln können. Und dass auch Künstler verteidigen können. Das alles sind wichtige Lernziele, denen die Jungs derzeit näher kommen und dieser Faktor wird uns auch im Frühjahr entscheidend weiterbringen. Das haben und konnten wir im Herbst einfach noch nicht hinbekommen. Die Truppe brauchte Zeit sich zu finden.

Claas: Das hört sich nach viel Arbeit für Euch beide an. Ich wünsche Euch dabei ein glückliches Händchen und danke Euch für das Gespräch!

 

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16. April 2024
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