Hockey Nachrichten

 

In einer eigenen kleinen aber feinen Rubrik beleuchtet Claas Henkel, in Hockey-Deutschland bekannt als Bundesligatrainer beim UHC Hamburg und zuvor Münchner SC, aber eigentlich gelernter Journalist, Themen rund um den Hockeysport in Zusammenarbeit mit der hockey.de-Redaktion. Der 35-jährige Familienvater lädt in der "SprechZeit" immer unterschiedliche Gesprächspartner ein, um in lockerer Form zu plaudern und dabei ihre Meinung, Ideen oder Geschichten zu erfahren.

 

Viel Spaß mit dieser Kolumne!

 

 

 

"In vier Jahren gibt es das nächste Erstliga-Derby Rot-Weiß gegen MSC!"

SprechZeit 3: Mit Philipp Crone (RW München) und Stefan Kermas (Münchner SC)

 

Die großen Zeiten schienen ein für alle mal vorbei, doch es regt sich was im Süden. In der bayrischen Landeshauptstadt, ebenso die Heimat des Hockey- und Lacrosseclubs Rot Weiß wie des Münchner Sport Clubs, traf sich Claas Henkel mit Stefan Kermas (MSC) und Philipp Crone (HLCRWM). Am Tag des Bundesliga-Comebacks der MSC-Herren (3:1 Sieg gegen den Club an der Alster) diskutierten sie über die Gründe des Abschwungs für so viele Spitzenclubs in Süddeutschland, die traditionelle Rivalität in der Isarmetropole und über die Perspektiven des Hockeystandorts München.

 

 

Claas: Meine ersten bewussten FinalFour-Erinnerungen – ich war knapp 20 Jahre alt und das Jahrtausend noch verhältnismäßig jung – haben viel mit Münchener Clubs zu tun. Rot-Weiß München und der Münchner SC waren damals echte Größen und konnten zu Beginn der Zweitausender Jahre auch einige Titel erringen. Was ist seitdem passiert? Stefan, wie hast du die Entwicklung der Rot-Weißen, Philipp, wie du die der MSC’ler in den letzten Jahren verfolgt?

Stefan: Uns dies zu fragen, ist in der Tat äußerst passend. Im Jahr des DM-Titels von Rot-Weiß hat ein gewisser Crone im Viertelfinale das entscheidende Tor gegen den BHC-Torwart Kermas erzielt. Ich habe gewissermaßen einen erheblichen Anteil an Philipps Titel. Aus der Ferne betrachtet hat Rot-Weiß damals von einem extrem starken Jugendjahrgang – den 77ern – profitiert, der von Hans Baumgartner dann erfolgreich in die Herren integriert wurde. Zu dieser Zeit waren beide Münchner Clubs Teil der deutschen Spitze und lieferten sich des Öfteren packende Duelle im Stadtderby. In den Reihen der Rot-Weißen standen damals einige Nationalspieler, wie die Waldhauser-Brüder, Philipp selber natürlich oder Nils Kowalczek. In den folgenden Jahren ist die Mannschaft dann Opfer eines stetigen personellen Aderlasses geworden, der weder aus der eigenen Jugend noch durch externe Zugänge aufgefangen werden konnte. Den genauen Zeitpunkt des Erstligaabstiegs habe ich jedoch nicht mehr im Kopf.

Philipp: Ich AUCH nicht!

Stefan: In der zweiten Liga gab es dann noch einige Jahre packende Duelle. Von der Qualität der goldenen Zeiten ist Rot-Weiß aber in der Tat weit entfernt.

Claas: Die Zeit des Spitzenhockeys in München reicht ja sogar noch bis in das letzte Jahrtausend zurück.

Philipp: Stimmt. 89, 90 waren die großen Aufstiege. In der Zeit kam ich nach München und die Rivalität, fast Feindschaft, zwischen beiden Clubs war extrem ausgeprägt. Die Duelle gerade in der Halle waren echte Ereignisse mit bis heute unerreichten Zuschauerzahlen. MSC hatte zu Beginn der 2000er Jahre einige sehr starke Eigengewächse wie die Michel-Brüder und profitierte parallel von der Attraktivität der Stadt und somit von Zugängen wie den beiden Eimer-Brüdern oder Henning Helwig. Was dem MSC vielleicht besser gelungen ist als uns: Die Cracks der erfolgreichen Jahre, die „Alten“, konnten im Club gehalten werden. Heute habe ich mir den Bundesligaauftakt der Herren im MSC angeschaut und viele alte Gesichter wiedergesehen. Die sind inzwischen Teil eines Netzwerks, das professionelle Strukturen und finanzielle Beweglichkeit ermöglicht. Das ist wahrscheinlich der Nährboden, auf dem der Weg des MSC aus der zweiten wieder in die erste Liga führte und nicht weiter runter – wie bei uns damals. Aber jetzt führt ja auch unser Weg wieder nach oben.

Claas: Schauen wir über den Münchner Tellerrand hinaus. In der Zeit der Münchner Abstiege erlitten einige große Clubs aus dem süddeutschen Raum ein ähnliches Schicksal. Limburg, Frankental, Dürkheim, Stuttgart, Rüsselsheim. Gab es geografische Gründe, spezielle Nachteile im Süden, die der Auslöser für die Entwicklung waren?

Philipp: Ich glaube die Professionalisierung der letzten zehn, fünfzehn Jahre konnte im süddeutschen Raum nicht so stattfinden. Es ist ganz einfach vielmehr Geld im System Bundesligahockey. Vereine wie sie in Hamburg oder im Westen zu finden sind, hatten durch ihr Umfeld schlichtweg mehr finanzielle Potenz, um auf die Entwicklung einzugehen. Das hat sich nach drei, vier, fünf Jahren auch in der Ligen-Konstellation abgebildet.

Stefan: Ich denke auch, dass diese Entwicklung kein Zufall ist. Wenn ich mir die Topteams in Deutschland anschaue, ist es ein Irrglaube anzunehmen, die stehen nur aufgrund besserer

Jugendarbeit da oben. Man sieht doch kaum mehr reine Eigengewächse bei den Topclubs. Wenn ich Deutscher Meister werden will, muss ich natürlich meine Mannschaft entwickeln, aber dies passiert heutzutage oft aus einer bewussten Mischung von Spielern, die längere Zeit im Team sind, und Spitzenkräften von außen, die das erarbeitete Niveau verbessern. Der Norden und Westen haben dies augenscheinlich hinbekommen und der Süden eben nicht. Hinzu kommen an einigen Standorten in der süddeutschen Provinz Gegebenheiten, die erst in den vergangenen 15 Jahren zu Nachteilen geworden sind. Das reicht von Studien-Möglichkeiten über fehlende Kraft des Sponsorings aus der Umgebung bis hin zur perfekten Kombination von Leistungssport und Berufseinstieg.

Philipp: Auf der anderen Seite war es ja dennoch ein Irrsinn, dass man es gerade in der Stadt München, einer der schönsten Städte Deutschlands und mit zwei Elite-Unis einer der attraktivsten Unistandorte, über viele Jahre nicht hinbekommen hat, Bundesligahockey zu gewährleisten.

Stefan: Ganz viele Dinge, die extrem nachtragende Folgen haben, entstehen in extrem kurzer Zeit. Wenn du einmal einen Fehler machst und gewisse Entwicklungen verschläfst, dann bist du weg vom Fenster und fällst für fünf bis zehn Jahre in ein Loch. Diese Versäumnisse haben offensichtlich beide Münchner Topclubs und „der Süden“ insgesamt gemacht. Daher muss man auch klar von einem Nord-Süd-Gefälle sprechen und davon, dass der Süden derzeit einen Rückstand aufholen muss. Genau da sind wir aktuell dran.

Claas: Den Anschluss zu verlieren, geht scheinbar wesentlich leichter und schneller, als den Anschluss wiederherzustellen. Ihr beide habt in dieser nicht besonders einfachen Phase Verantwortung in Euren jeweiligen Clubs übernommen. Stefan als Sportdirektor Leistungshockey im MSC, Philipp als Abteilungsleiter Hockey im Rot-Weiß.

Philipp: Ich bitte Dich! Nicht besonders einfache Phase? Sechs Punkte am ersten Spieltag für die beiden Bundesligamannschaften, Stefans Lage ist doch rosig.

Stefan: Abwarten! Aber den heutigen Sechser gegen die Alster-Teams zum Start nehmen wir gerne mit.

Claas: Philipp, was genau ist dein Tätigkeitsfeld und was sind deine Ziele?

Philipp: Ich bin Abteilungsleiter Hockey. Was ich mit meinem Team erreichen will, ist ein im männlichen und weiblichen Bereich gut aufgestellter Verein, der sich wieder in der Bundesliga etabliert. Der Aufstieg in die zweite Liga vor zwei Jahren war noch auf Pump, weil der Unterbau noch nicht stabil genug war. Das soll anders werden. Wir möchten eine Clubstruktur schaffen, die das sportlich Notwendige ermöglicht, d.h. beispielsweise genügend Mitglieder und damit Beiträge, um dauerhaft hauptamtliche Trainer zu finanzieren. Dazu eine Breite, die dem Breitensportler und dem Leistungssportler ein attraktives Angebot macht. Und wir wollen wieder das werden, was uns groß und bekannt gemacht hat: Ein sympathischer und attraktiver Club mit einer guten Jugendarbeit, der gleichermaßen für Fairplay und Erfolg steht. Unser sportlicher Leiter Paul Rabe hat ein Konzept erarbeitet, das eine qualitativ hochwertige Ausbildung durch alle Altersklassen sicherstellen soll. Wir wollen das Potenzial, welches ein Verein unser Größe mit einer sehr guten Mitgliederstruktur in dieser wunderschönen Stadt hat, komplett ausschöpfen.

Claas: Stefan, zu deiner neuen Aufgabe und deinen Zielen.

Stefan: Wir haben im MSC den Hut „Sportdirektor Leistungshockey“ entwickelt und mir aufgesetzt. Qualitätsentwicklung ist meine Hauptaufgabe, d.h. Qualität in der Trainingsarbeit, in die Kader unserer Erwachsenenteams und in das strukurelle Förder-Umfeld unserer Bundesligateams zu bekommen. Der ebenso wichtige Breitensport gehört nicht zum meinem Portfolio.

Philipp: Das ist doch aber euer größter Pluspunkt. Damit verbunden das Sozialleben, das es so ausgeprägt in keinem anderen Münchner Club gibt.

Stefan: Das wissen wir auch. Ich mache das Ganze aber rein nebenberuflich! Und nebenberuflich beschäftigen mich unsere beiden Bundesligateams, die mittelfristige Kaderplanung und die inhaltliche Unterstützung unserer Trainer zeitlich in ausreichendem Maße. Zudem berate ich den Vorstand zum Bundesliga-Hockey.

Claas: Wie beeinflusst der jeweils andere Club eure Arbeit. Hemmt die Konkurrenz oder belebt sie das Geschäft?

Philipp: Rot-Weiß profitiert ganz klar von der Existenz der beiden Bundesligamannschaften des MSC. Allein die Medienpräsenz unseres Sports ist so eine ganz andere. Ich bin nicht engstirnig und weiß, wie wichtig in dieser vom Fußball dominierten Sportstadt für jeden Hockeyclub die Publicity ist. Sie wird aktuell nun mal vornehmlich vom MSC erzeugt. Aber wenn ein Jugendlicher dadurch mitbekommt, dass in München Hockey gespielt wird, und er in Sendling wohnt, dann kommt er eben bei uns vorbei. Wenn er nichts von Hockey weiß, kommt er nicht.

Stefan: Wir sind - ganz ehrlich - sehr froh über den Vorsprung, den wir derzeit haben. Vor wenigen Jahren stand es sehr auf der Kippe, welcher Club sich in welche Richtung entwickelt. Es schien klar zu sein, dass der Standort München bisweilen keine Perspektive für zwei Bundesligaclubs bietet. Klar war hingegen nicht, welcher Club das sein würde. Wichtig war es diesen „Kampf“ mit klarem Blick auf die eigenen Stärken anzugehen. Von der rot-weißen Konkurrenz haben wir also profitiert, weil wir die Ärmel hochkrempeln mussten, um ein Bundesligist zu bleiben. Insgesamt geht es aber für alle Clubs in der Stadt darum, den Hockeystandort München weiterzuentwickeln. Das wissen Philipp und ich auch aus unserer Erfahrung aus anderen Hockeystädten.

Philipp: An einem einfachen Beispiel verdeutlicht: Wenn ich meine Herren, also die Rot-Weiß-Jungs, packen will, dann schaffe ich das nicht mit dem Ziel „Möglichst bald Bundesliga“, das ist zu unkonkret. Viel greifbarer und vorstellbarer ist doch: Wir wollen den MSC schlagen, wir wollen die Nummer eins in München werden! Und dazu müssen wir als erstes wieder in eine andere Liga.

Claas: Wann heißt das deutsche Endspiel MSC gegen Rot-Weiß?

Stefan: Ohne eine Glaskugel kann ich dazu nichts sagen.

Philipp: Ich sage auch keine Zahl. Unser Projekt hat derzeit den Arbeitstitel „Rot Weiß 2020“ und das hat viel mit gesundem Wachsen zu tun. Dafür darfst du nicht in der Zukunft spielen und rumträumen, sondern musst für die Zukunft planen und im Hier und Jetzt gut arbeiten.

Claas: So kann ich euch nicht entlassen. Andere Abschlussfrage: Wann findet das nächste Pflichtspiel-Derby statt?

Stefan: Die Frage geht eindeutig nur an Philipp.

Philipp (grinst): Nächstes Jahr...

Stefan: Für das Protokoll: Ich habe ihn gerade unterm Tisch getreten.

Philipp: War ein Scherz. Ich will ja auch nicht, dass die MSC-Jungs absteigen. In vier Jahren gibt’s das nächste Pflichtspielderby in Halle oder Feld.

Claas: Das ist doch mal eine Aussage, die Hockey-München freuen dürfte. Ich danke euch sehr für das Gespräch und wünsche beiden Clubs das Beste auf diesem Weg!

 

» zur SprechZeit 2 vom 4. September 2014

» zur SprechZeit 1 vom 29. August 2014

 
28. März 2024
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