28.01.2009 - Von seinen drei Aufsteiger-Kollegen (Mannheimer HC, Rheydter SV und Rissener SV) in die 1. Hallen-Bundesliga der Herren unterscheidet sich der SC Charlottenburg vor allem dadurch, dass er die mit Abstand jüngste Mannschaft hatte. Der Meister der 2. Bundesliga Gruppe Ost spielte überwiegend mit einer erweiterten A-Jugend. „Für die Jungs kommt die erste Liga wahrscheinlich noch ein bisschen zu früh“, fürchtet SCC-Trainer Thorben Wegener, aber schließlich bleibt ihnen „ja noch ein Dreivierteljahr zum Weiterentwickeln“.
Vom Charlottenburger Herrenteam, das in der Hallensaison 2007/08 als Tabellenletzter der Ost-Gruppe aus der 1. in die 2. Bundesliga abstieg, waren ein Jahr darauf nur noch die wenigsten Spieler an Bord. Genauer gesagt vier aus dem Stammkader (Jo Wesselhöft, Sascha Kolletzky, Felix Angrick und Felix Jasch) und zwei Ergänzungsspieler (Juri Maier, Ulrich von Holten). Mehr als aufgefüllt wurde der Kader ab Frühjahr 2008 von Spielern des Jahrganges 1991. Nicht irgendwelche A-Jugendlichen, sondern hochbegabte Talente, fast ausnahmslos Angehörige des deutschen U18-Auswahlkaders. Spieler wie Timo Blobel, Luis Ibbeken oder Max Donnermeyer waren dann keine Mitläufer, sondern übernahmen in ihrer ersten Erwachsenensaison sofort Verantwortung. „Die Jugend hatte gleich eine Führungsrolle“, sagt Thorben Wegener, der es lieber gesehen hätte, wenn die Nachwuchsleute trotz aller unbestrittenen Fähigkeiten „ein bis zwei Lehrjahre bei den Herren“ hätten mitmachen können. Manchmal läuft es eben anders als geplant.
Obwohl die Konkurrenz den SCC als Aufstiegsfavoriten in die Hallensaison 2008/09 schickte, war dem Charlottenburger Coach klar, dass angesichts der Konstellation nicht von Anfang an alles klar laufen musste. Und so kam es dann auch. Nach drei von zehn Spielen der 2. Bundesliga hatte der neu formierte Erstligaabsteiger nur vier Punkte auf dem Konto, vor allem die klare 7:11-Heimniederlage gegen das abgezockte Team des ATSV Güstrow war deftig. Es sollte aber die einzige Niederlage bleiben, weil die jungen Charlottenburger von Spiel zu Spiel besser zusammenfanden und sich entsprechend steigerten. Dennoch hatte Güstrow die Nase bis zum Rückspiel knapp vorne. Das zweite Aufeinandertreffen der beiden besten Teams der Ost-Gruppe musste fraglos die Entscheidung bringen.
Es war ein Sahnetag für den SCC, der vor Rekordkulisse von 800 Zuschauern den Gastgeber unerwartet deutlich mit 7:1 in die Schranken wies. „Eine Demontage, wie Güstrow das beschrieben hat, war es aber auf keinen Fall. Wir haben lediglich nur ganz wenige Fehler gemacht, sehr diszipliniert gespielt und in den entscheidenden Momenten unsere Tore geschossen“, blieb Thorben Wegener auf dem Teppich. Dass es zu solch einer Glanzvorstellung im wichtigsten Saisonspiel kommen konnte, hatte für den im zweiten Jahr beim SCC tätigen Coach einen ganz wesentlichen Grund: „Die Auswärtspartie in Güstrow war das einzige Saisonspiel, bei dem wir personell vollzählig antreten konnten.“ Das Verletzungs- und Krankheitspech hatten die Charlottenburger in diesem Winter wie magisch angezogen. Schon vor dem ersten Saisonspiel erwischte es Routinier Wesselhöft mit einem Handbruch, gleiches Schicksal ereilte später Luis Ibbeken. Und dann war vor allem gegen Zweitliga-Saisonende plötzlich der halbe Kader von einem Grippevirus befallen. „Damit hatten wir und auch ein paar andere Mannschaften in Berlin wirklich die Seuche“, beschrieb Wegener den Fluch, der ihm zeitweise eine 80-prozentige Ausfallquote im Training bescherte. Letztlich hat es doch noch so eben „und mit harter Arbeit“ (Wegener) zum Aufstieg gereicht.
Einen bitteren Nebeneffekt brachte der Herrenerfolg sogleich hervor. Der hochgelobte 91er-Jahrgang des SCC blieb eine Woche nach dem 1.BL-Aufstieg in der Endrunde der Berliner JA-Meisterschaft sensationell schon am ersten Tag hängen. Nikolas Müller, Trainer der Jugend A und Co-Trainer bei den Herren, schwante bereits im Vorfeld Böses: „Der Druck bei den Herren an den unmittelbar vor der Endrunde liegenden Wochenenden war enorm hoch und fiel dann quasi in den Keller. Die Jungs konnten die Spannung so schnell nicht wieder aufbauen.“ Die Mannschaft, die schon zwei DM-Titel (Halle 2006 als Knaben A und Halle 2008 als Jugend B) für den SCC geholt hatte, in der Feldsaison 2008 bis in die DM-Endrunde der besten vier U18-Mannschaften vorgedrungen war und als jüngstes Team dort bravourös mitspielte, wäre von ihrem Potenzial eigentlich auch in der Hallenrunde ein sicherer Kandidat für das Teilnehmerfeld der Deutschen Meisterschaft gewesen. „Vielen Spielern war der Erfolg unserer MJA in dieser Saison nicht so wichtig. Der Fokus lag klar beim Herrenteam. Der Ehrgeiz und die Aufopferungsbereitschaft für die Jugend A fehlten dadurch bei einigen“, so Müller, dessen Warnungen vor der Berliner MJA-Endrunde vom eigenen Team offenbar nicht ernst genug genommen wurden, zumal man in der Vorrunde noch verführerisch leicht in den Qualifikationsrängen für die Ostdeutsche Meisterschaft lag.
Bevor das junge Herrenteam des SC Charlottenburg im November 2009 in das Abenteuer 1. Hallen-Bundesliga eintaucht, steht erst einmal die „Niederung“ Regionalliga im Feld bevor. In der laufenden Freiluftrunde 2008/09 belegen die SCC-Herren in der Regionalliga Ost nach eher durchwachsenem Herbst lediglich den fünften Platz. „Aber wir haben zwei Spiele weniger absolviert als die Konkurrenz. Trotz eines schweren Auswärtsprogramms in der Rückrunde liegen wir deshalb noch gut im Rennen“, hat Thorben Wegener den Aufstieg in die 2. Bundesliga 2009/10 noch nicht abgeschrieben. Zumal zum Frühjahr weitere große Talente des Jahrganges 1992 (Philipp Peisert, Christoph Stubbe, die ebenso wie die 91er Moritz Barckhausen, Timo Blobel, Max Donnermeyer, Luis Ibbeken und Nico Weging dem DHB-U18-Kader 2009 angehören) zum Herrenkader dazustoßen werden.
Der SC Charlottenburg würde sich nicht dagegen wehren, wenn ein erstligaerfahrener Spieler von außen anklopfen sollte und die Jungen führen könnte. „Vielleicht kommt ja noch einer“, sagt Thorben Wegener, glaubt allerdings nicht an solch einen glücklichen Umstand, zumal „keinerlei Planungen des Vereins am Laufen sind, aktiv Leute von außen zu holen“, wie der 36-Jährige versichert. Wahrscheinlich also, dass die junge SCC-Rasselbande kommenden Winter ganz auf sich selbst gestellt in die 1. Bundesliga einsteigt.
Zweitliga-Ost-Meister SC Charlottenburg. Von links, hinten: Trainer Thorben Wegener, Betreuerin Claudia Lebens, Luis Ibbecken, Co-Trainer Nikolas Müller, Tizian Peukert, Moritz Barckhausen, Christhoper Schelle, Tobias Lebens, Maximilian Donnermeyer, Jurek Mozelewski, Physio Jürgen Lange, Bastian Lübeck; vorne: Sascha Kolletzky, Jo Wesselhöfft, Juri Maier, Felix Jasch, Ulrich von Holten, Timo Blobel und Felix Angrick. Foto: SCC
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