DHB-Präsident Dr. Christoph Wüterich:

„...notfalls auch mal Schläge einholen“


Zum Abschluss der Großveranstaltung in Amstelveen unterhielt sich die DHZ mit dem Präsidenten des Deutschen Hockey-Bundes, Dr. Christoph Wüterich.
Wir danken der Deutschen Hockey-Zeitung für die Erlaubnis, dieses Interviews hier zu veröffentlichen.



Die DHB-Führung (vertreten durch Wüterich, Generalsekretärin Uschi Schmitz und Vizepräsident Joachim Hürter) hatte am vorletzten Tag ein längeres Gespräch mit Verantwortlichen des Hockey-Weltverbandes FIH (vertreten durch Präsidentin Els van Breda, Generalsekretär Peter Cohen, Event’s Manager Dennis Meredith und Steve Jaspan, Vorsitzender des Competition’s Committee) zur umstrittenen Aufstellung der deutschen Mannschaft bei der Champions Trophy 2003.

DHZ: Wie ist die „Dusche“ am Samstag bei der FIH ausgefallen?

Wüterich:
Die Positionen waren einfach gegensätzlich, und wir haben unseren Standpunkt in diesem Gespräch verteidigt. Ich verstehe durchaus die Interesssenlage der FIH, die Hockey promoten und vorwärts bringen will. Und dass man dann bei solch einer Veranstaltung die besten Mannschaften – vor allem den amtierenden Weltmeister – sehen will, das ist ja alles sehr gut verständlich. Was ich allerdings etwas vermisst habe, ist das Verständnis für unsere Situation. Sie war nicht anders lösbar als mit dieser Entscheidung. Zufrieden waren auch wir mit der Lage und den Begleitumständen nicht, das hätten wir bestimmt lieber anders gehabt. Aber es gibt manchmal Situationen, in denen man es nicht allen recht machen kann.

DHZ: FIH-Präsidentin Els van Breda hat in der Pressekonferenz gesagt, sie sei sich sicher, dass der DHB die FIH-Philosophie jetzt verstanden hätte und sich so etwas in Zukunft nicht mehr wiederholen wird.

Wüterich:
So pauschal würde ich dem nicht zustimmen. Wenn sie es so meint, dass bei der FIH künftig so sorgfältig geplant wird, dass solche Terminkollissionen nicht mehr vorkommen, dann bin ich völlig einig mit ihr, dass bei einem Weltturnier wie der Champions Trophy die beteiligten Nationen tatsächlich mit ihren stärks-ten Mannschaften antreten sollen. Uns als DHB erwarten künftig sehr große Herausforderungen. Wenn beim anstehenden EHF-Kongress in Barcelona die Einführung des Zwei-Jahres-Rhythmus der Europameisterschaft bei Damen und Herren beschlossen werden sollte, dann stehen wir vor ganz intensiven terminlichen Verpflichtungen. Wir müssen einfach erkennen, dass wir in Deutschland im Vergleich zu anderen Nationen (insbesondere In-dien/Pakistan, aber auch Niederlande) in der Professionalisierung nicht so weit fortgeschritten sind, dass wir unseren Nationalspielern permanent weit über 100 Maßnahmentage im Jahr zumuten können. Also müssen wir einen größeren Kader haben und können nicht alles immer mit den gleichen 20 Mann spielen. Das ist ausgeschlossen, dass wir das hinkriegen.

DHZ: Hat der DHB von der Trophy-Mannschaft 2003 mehr erwartet, als letztlich dabei herauskam?

Wüterich:
Ich persönlich glaube, dass die Mannschaft besser ist, als sie hier gespielt hat. Der Druck auf das Team war immens, dem hat sie trotz sehr positiver Einstellung aller Beteiligten nicht immer standhalten können. Das hat man an einigen Stellen gemerkt, so jedenfalls mein Eindruck, aber das können andere aus dem Kreis unserer sportlich Verantwortlichen besser beurteilen als ich. Auf der anderen Seite zeigte die Champions Trophy 2003 auch, was wir tatsächlich aufwenden müssen, um in der Weltspitze mitzuhalten. Man kann ja nicht sagen, dass die hier nominierte Mannschaft aus durchschnittlichen Bundesligaspielern bestand, sondern es sind ja überwiegend herausragende Spieler unserer ersten Liga und Nachwuchsnationalspieler mit vielen Lehrgängen und Länderpielen. Wenn man dann sieht, unter welchen Druck die hier auf dem Spielfeld geraten sind, dann erkennt man erst richtig, dass es bis zur Weltspitze ungeheuer viel Arbeit bedarf.

DHZ: Haben dem CT-Team nicht einfach ein paar erfahrene Stützen gefehlt, um besser auftreten und abschneiden zu können?

Wüterich:
Es gab ja schon den ein oder anderen, der eine gewisse Länderspielerfahrung mitbrachte, aber sicherlich war das im Verhältnis zu wenig. Wenn uns von den Sportverantwortlichen in unserem Verband gesagt wird, es macht keinen Sinn, beispielsweise fünf Spieler aus der A-Mannschaft unmittelbar vor der EM zur Champions Trophy zu bringen und dann nachher von denen eine optimale Leistung bei der EM erwarten zu wollen, dann ist das eine Entscheidung, bei der ich Bernhard Peters und seiner Fachkompetenz vertraue. Ich glaube, dass er das richtig entschieden hat, auch was die Gewichtung dieser beiden Turniere angeht. Es ist doch völlig klar, dass die Europameisterschaft eine höhere Priorität besitzt als die Champions Trophy.

DHZ: Die Holländer und insbesondere Bondscoach Joost Bellaart argumentieren ganz anders. Da wurde von der Trophy als idealer oder zumindest guter EM-Vorbereitung gesprochen.

Wüterich:
Die Motive, warum das so gesagt wurde, liegen ja auf der Hand. Aber soweit ich recherchiert und mich kundig gemacht habe, kann das nun wirklich keiner ernsthaft behaupten, dass ein solches Turnier acht Tage vor einer EM eine ideale Vorbereitung ist.

DHZ: Wird sich dann spätestens am 13. September, dem Finaltag in Barcelona, herausstellen, welche Strategie im Endeffekt die richtige war?

Wüterich:
Genau so ist es.

DHZ: Steht denn ein möglicher EM-Titelgewinn im Verhältnis zu den erzeugten Missstimmungen gegenüber FIH und Nachbar Holland?

Wüterich:
Das muss man abwägen. Wir haben uns dafür entschieden, einer optimalen EM-Vorbereitung Vorrang zu geben. Das Präsidium hat in seiner Amtszeit schon viele sehr schwierige Entscheidungen getroffen, und wir sind dabei nicht immer den leichtesten Weg gegangen. Das war auch jetzt der Fall. Wir hätten versuchen können, von oben herab die sportliche Leitung noch umzustimmen oder anders einzustellen, aber das wollten wir einfach nicht. Wir meinen, dass es für den DHB wichtig ist, sportlichen Erfolg zu haben und dafür alles zu unternehmen. Dazu sind wir im Präsidium, um das durchzusetzen, was sportlich erforderlich ist. Dafür müssen wir manchmal auch weite Wege laufen und uns notfalls auch mal Schläge einholen. Es war in der Tat keine leichte Woche hier für das deutsche Hockey.

DHZ: Das trifft ja auch auf die deutschen Damen zu, die beim Vier-Nationen-Turnier den Abstand zur absoluten Weltspitze klar vor Augen geführt bekommen haben.

Wüterich:
In der Champions Challenge und in der Vorbereitung hat die Mannschaft sehr gut abgeschnitten. Aber das Kräftemessen mit den Top 3 ist dann doch noch mal etwas ganz anderes. Vielleicht haben wir gehofft, etwas näher dran zu sein. Insbesondere im athletischen Bereich habe ich etwa gegenüber der WM 2002 in Perth trotz der Niederlagen wieder erhebliche Fortschritte gesehen. Das geht eben nicht von einem Tag auf den anderen. Alles in allem glaube ich, dass die Mannschaft eine gute Europameisterschaft abliefern wird.

Uli Meyer

 

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